Flüchtige Totale

Langzeitbelichtungen von Theateraufführungen

Fotografien von
Aljoscha Begrich, Lucas Fester und Jo Preussler

 


Woran erinnern wir uns am Ende eines Theaterabends, wenn die Worte verklungen sind? Ein Gang. Eine Geste. Eine Konstellation.

Die langzeitbelichteten Theaterbilder von Aljoscha Begrich und Jo Preußler eröffnen eine andere Sicht auf Theaterinszenierungen. Die Aufnahmen bündeln Aufführungen in ihrer vollen Länge zu einem einzigen Bild, vom ersten Auftritt bis zum Versiegen des Applauses. Ihre Langzeitbelichtungen ausgewählter Inszenierungen des Theatertreffens 2007 stellen den Raum der Aufführung und ihren Verlauf als flüchtige Totale dar. Der Betrachter kann das Stück so als Summe der Einzelereignisse einsehen.

Die Projektion der Fotografien führen jeweils ein totales Bild vor, in dem die Zeit der Vorstellung aufgehoben und das Geschehen in einer Verschränkung von Licht und Bewegung eingeschrieben ist. Das Programm des Apparates überführt die Seherfahrung und Zeitwahrnehmung in einen nur künstlich möglichen, langen Blick. Die Fotografien zeigen, was die Zuschauer gesehen haben und dennoch so nicht sehen können. Begrich und Preußler heben die Struktur des Stoffes heraus, weil ihre Fotografien die Realität nicht eindeutig abbilden. In der Fotokamera sammeln sich die Eindrücke der Szenen wie in einer Black Box, deren innerer Ablauf erst wieder erschlossen werden muss. Mit der Auseinandersetzung beginnt das hermeneutische Betrachten. Der Zuschauer kann die Schichten des Bildes durchdringen und in der Tiefe der Bildzeit die Erinnerung zur Aufführung bringen.

 


Aljoscha Begrich
, geboren 1977 in Zgorzelec, Fotograf und Bühnenbildner (Nationaltheater Mannheim, Neues Theater Halle und Columbia University New York).

Lucas Fester, geboren 1977 in Jena, Designer.

Jo Preußler, geboren 1977 in Görlitz, Videoautor (Moebius 17, Videoklub Berlin) und Generaldirektor des Graffitimuseums in Berlin.

 
 


Aljoscha Begrich und Jo Preußler erhielten für ihre Langzeitbelichtungen am schauspielfrankfurt und die wissenschaftliche Arbeit »Wie sich Theaterstücke einbilden. Für eine dramatische Fotografie des Theaters« im Jahr 2003 den Deutschen Studienpreis der Körber-Stiftung. Diese Arbeit wurde in dem Band fast forward. Essays zu Zeit und Beschleunigung, herausgegeben von Hartmut Rosa (Hamburg: edition Körber-Stiftung 2004), veröffentlicht.

Laden Sie hier die (12-seitige) Theoriearbeit als pdf herunter, die im Jahr 2003 den Deutschen Studienpreis der Körber-Stiftung erhalten hat.

 
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